Christof: "Es muss nicht alles am ersten Tag fertig sein."

Heute möchte ich dir die Person vorstellen, die den letzten Stein für Passion Pilot ins Rollen gebracht hat. Christof kommt ursprünglich aus Polen und ist eigentlich Lehrer. Anfang 2019 hat er in Hermigua, einem kleinen Dorf auf der spanischen Insel La Gomera, einen Naturkostladen eröffnet. Lies das komplette Interview und erfahre, warum.

LJ: Dein eigener Naturkostladen auf einer paradiesischen Kanareninsel.Wie fühlt sich das an?

Christof: Ich bin super glücklich. Ich würde sogar sagen, dass ich mich derzeit als den glücklichsten Menschen der Welt bezeichnen kann. Warum? Weil ich es einfach nicht erwarten kann, morgens in meinen Laden zu gehen. Offiziell öffne ich erst um 11 Uhr, aber ich bin in der Regel schon ab 9 Uhr hier.

LJ: Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Christof: Ich lebe seit Jahren fast ausschließlich von Rohkost und hatte ursprünglich geplant, auf Gran Canaria ein veganes Restaurant zu eröffnen – dort habe ich bis vor ein paar Monaten als Ferienhausverwalter gearbeitet. Da ich aber keinen geeigneten Standort finden konnte und nach der Sommersaison ziemlich ausgebrannt war, beschloss ich, erst einmal Urlaub zu machen und auf La Gomera ein wenig abzuschalten. So kam es, dass ich eines Tages am Playa de la Caleta, hier bei Hermigua, saß und merkte, dass ich gerade mein persönliches Paradies gefunden hatte.

Playa de la Caleta – der Ort, an dem Christof sich entschieden hat, zu bleiben, 2019

LJ: Und wie ging es weiter?

Christof: Ich habe einfach Leute auf der Straße angesprochen und gefragt, ob sie jemanden kennen, der ein Haus oder eine Wohnung vermietet. Gleich am ersten Tag habe ich eine Frau im Blumenladen kennengelernt. Sie hat mir bei allem geholfen. Der gesamte Umzug, inklusive der Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung, hat insgesamt knapp drei Wochen gedauert. Das war wohl Schicksal.

LJ: Was ist hier anders als auf Gran Canaria?

Christof: Auf La Gomera stehe ich morgens auf und habe Lust zu leben. Auf Gran Canaria war ich in diesem System: Konsum, Hektik, Sorgen. Hier ist alles ruhiger, wilder und weniger entdeckt. Hier muss man das Auto nachts nicht abschließen. Ich kann sogar die Ladentür offen lassen, wenn ich kurz etwas im Supermarkt besorgen will.

LJ: Und jetzt die Frage aller Fragen: Kommst du mit dem aus, was du im Bioladen verdienst?

Christof: Nein, eigentlich nicht – obwohl ich ein sehr minimalistischer Mensch bin und nicht viel zum Leben brauche. Der Laden ist eher ein Hobby. Hauptberuflich bin ich immer noch Ferienhausverwalter. Aber ich habe die Anzahl der Ferienhäuser reduziert und die Aktivitäten angepasst. Dank des Internets und der Digitalisierung ist das heute ja möglich. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich irgendwann komplett von den Einnahmen aus dem Bioladen leben könnte, aber das wird die Zeit zeigen.

Christof's Blick aus dem Laden, direkt an der Hauptstraße von Hermigua, La Gomera.

LJ: Und wie hast du entschieden, welche Ferienhäuser du aufgeben möchtest und welche nicht?

Christof: Das ist eine gute Frage. Da bin ich tatsächlich sehr analytisch vorgegangen. Ich habe damals noch über 20 Ferienhäuser verwaltet. Mein Alltag bestand darin, Interessenten zu beraten, die Buchungen zu verwalten, den Check-in und Check-out zu betreuen und die Reinigung zu organisieren. Das alles hat mich wahnsinnig ausgelaugt. Also habe ich am Ende des Sommers eine Liste mit all den Dingen gemacht, die mich derzeit stressen, und dann die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Heute betreue ich nur noch sechs Häuser und kümmere mich nur noch um die Dinge, die digital erledigt werden können. Alles andere wird von meiner "zweiten Familie" auf Gran Canaria erledigt. Das sind liebe Freunde von mir, die ich durch die Arbeit kennengelernt habe.

LJ: Du hast dich mit dem Laden getraut, etwas Neues auszuprobieren. Was würde du anderen raten, die ähnliche Pläne haben?

Christof: Ich habe erkannt, dass Spontanität wichtig ist. Es scheint, als hätten wir zu oft keine Kontrolle über unsere Entscheidungen. So als würde jemand Anderes die Fernbedienung in der Hand halten. Außerdem glaube ich, dass die Dinge am wenigsten funktionieren, wenn man sie zu sehr will und zu perfekt machen will. Das Wichtigste ist die Idee, nicht, dass alles von Anfang an fertig ist. Wenn die Idee gut ist, werden sich automatisch Menschen und Wege finden, sie umzusetzen. Es muss nicht alles am ersten Tag fertig sein. Man muss etwas von sich geben und mit dem Projekt wachsen.

Die Idee und Spontaneität
sind wichtig.

Christof | Gründer | BiosFera Naturkostladen

LJ: Wie denkst du übers Scheitern? Wie wäre es für dich, wenn das mit dem Bioladen nicht so klappt, wie du es dir vorstellst?

Christof: Ehrlich gesagt – Ich denke einfach nicht darüber nach. Das wird auf jeden Fall funktionieren. Ich habe genug Energie für das, was ich machen will. Die richtige Einstellung ist hier wichtig.

LJ: Welche weiteren Pläne hast du für den Laden?

Christof: Ich möchte mich und den Laden auf jeden Fall weiterentwickeln. Vielleicht klappt es ja doch mit einem kleinen Restaurant oder einer Bar. Vielleicht biete ich erst einmal nur Smoothies und Frühstück an. Ich bin sehr froh, dass immer mehr Einheimische in meinen Laden kommen. Die meisten Touristen aus Europa wissen schon über gesunde Ernährung Bescheid, die Einheimischen hier weniger. Manchmal kann ich nachts kaum schlafen, wenn ein Einheimischer etwas gekauft hat, auf das ich nicht gekommen wäre. Übrigens war die ursprüngliche Idee des Ladens eine etwas andere. Leider war es nicht so einfach ein Ladenlokal zu finden. Deshalb habe ich es zuerst mit einem Lieferservice versucht. Um zu testen, ob das Konzept bei den Einheimischen ankommt, habe ich 2.000 Flyer drucken lassen und in den umliegenden Dörfern verteilt. Daraufhin meldeten sich nur zwei Leute zurück. Da war ich natürlich zunächst etwas enttäuscht. Mit dem Laden hat sich das dann aber geändert. Ich bin immer noch total überrascht, wie positiv sich alles entwickelt hat. Bei der Eröffnung war mein Laden sogar eine kleine Attraktion, da er der einzige im Norden der Insel ist. Sogar die lokalen Medien waren vor Ort und haben berichtet.

Mein Laden öffnet um 11 Uhr, aber ich bin in der Regel schon um 9 Uhr da.

Christof | Gründer | BiosFera Naturkostladen

LJ: Aber zurück zu deinem persönlichen Weg. Eigentlich bist du ja Lehrer. Warum arbeitet du nicht mehr in diesem Beruf?

Christof: Ich komme ursprünglich aus Polen. Dort habe ich seit dem Abschluss meines Studiums in Warschau Sozialkunde und Deutsch unterrichtet. Auch wenn ich seit neun Jahren nicht mehr in diesem Beruf arbeite, liebe ich ihn immer noch. Ich könnte mir gut vorstellen, wenn ich ein bisschen mehr Zeit hätte, den einen oder anderen Privatschüler zu unterrichten. Ich mag das. Ich mag die Menschen. Der Bioladen ist für mich ein logischer nächster Schritt. Völlig anders als in meinen ersten Jahren auf Gran Canaria. Damals war es ähnlich wie heute auf La Gomera. Ich war eigentlich im Urlaub und entschied mich dann spontan, ein Angebot einer deutschen Online-Druckerei anzunehmen. Sie suchten dringend jemanden, der fließend Polnisch spricht, um den dortigen Markt zu bedienen. Ich bin dieser Firma sehr dankbar. Ich habe dort eine Menge gelernt. Aber auf lange Sicht konnte ich dort nicht atmen. Ich saß mit fünf Kollegen in einem Großraumbüro und fühlte mich eingesperrt. Nach vier Jahren habe ich gekündigt. Zwei Tage später kam ich in die Touristik. Zunächst war ich fest angestellt und habe 126 Ferienhäuser betreut. Für mich persönlich war das keine gute Zeit, aber auch dieser Firma bin ich im Nachhinein dankbar, denn dort habe ich alles gelernt, was ich brauchte, um als Ferienhausverwalter auf eigenen Füßen stehen zu können. Dann führte eines zum anderen. Ich habe mit einem Ferienhaus angefangen und mir durch Empfehlungen einen eigenen Kundenstamm aufgebaut.

LJ: Und woher hast du das Wissen, das man benötigt um einen Bioladen zu führen?

Christof: Na ja, mein Steuerberater macht den Papierkram. Damit belaste ich mich nicht. Einkauf, Logistik und so weiter, habe ich mir selbst beigebracht. Meine erste Bestellung habe ich in einem Bioladen in San Sebastián, der Hauptstadt von La Gomera, aufgegeben. Am Anfang habe ich auch Produkte aus Teneriffa gekauft, aber das war aufgrund der Abnahmemengen nicht sehr nachhaltig. Mir ist es wichtig, dass meine Ware frisch ist, deshalb beziehe ich sie von einem Händler auf Gran Canaria, den ich seit Jahren kenne. Ein Problem ist immer noch, dass ich die Ware nicht reif kaufen kann. Nachdem die Früchte im Laden angekommen sind, dauert es meistens noch zwei bis drei Wochen, bis sie reif sind. Aber der Laden ist ja erst seit einem Monat geöffnet und auch dafür wird sich eine Lösung finden.

LJ: Was glaubst du wirst du mir erzählen, wenn ich mich in einem Jahr wieder bei dir melde?

Das weiß natürlich niemand genau. Es kann gut sein, dass ich dann in Thailand sein werde – aber ich werde trotzdem glücklich sein.

Tatsächlich saß Christof ein Jahr später immer noch mit seinem Kaffee und einem Buch vor seinem Laden. Das hat mir ein Freund erzählt, der vor Ort war. Das ist jetzt ein Jahr her und eine Online-Recherche meinerseits hat ergeben, dass Christof den Laden wohl abgegeben und nach Portugal gezogen ist. Es würde mich sehr interessieren, was der Grund für diese Entscheidung war. Aber irgendetwas sagt mir, dass er, egal was er dort macht, glücklich ist.

Bild von Laura Jane Hoffmann

Laura Jane Hoffmann

Laura Jane Hoffmann ist die Gründerin von Passion Pilot. Nachdem sie mehr als zehn Jahre als Marketing Managerin in der IT-Branche gearbeitet hat, leitet sie nun ihre eigene kreative Marketingagentur, macht Musik und arbeitet als Tanz- und Fitnesslehrerin. Passion Pilot ist ihr Herzensprojekt. Gemeinsam mit ihrem Netzwerk von Gründern und Künstlern möchte sie Menschen auf der ganzen Welt dabei unterstützen, ihre Leidenschaft durch Kreativität zu finden, die Werkzeuge zur Umsetzung ihrer Ideen zu entdecken und ihr eigenes Unternehmen zu gründen.

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